Wir wollen uns einen Vers in Römer 6 ansehen, der, wie ich finde, in einem sehr kurzen Satz auf den Punkt bringt, was der entscheidende Unterschied zwischen dem Alten und dem Neuen Bund ist. Wir lesen hier in Römer 6, Vers 14: „Denn die Sünde wird nicht herrschen können über euch, weil ihr ja nicht unter dem Gesetz seid, sondern unter der Gnade.“ Das Wort ‚Gesetz‘ symbolisiert hier den Alten Bund, Gottes Abkommen mit Israel, und die Bedingungen und Konditionen dieses Bundes sind alle enthalten in diesem einen Wort ‚Gesetz‘. Und ‚Gnade‘ fasst in einem Wort das neue Abkommen Gottes durch den Herrn Jesus Christus mit allen Bedingungen und Konditionen zusammen. Und es heißt hier, dass du entweder unter dem Gesetz oder unter der Gnade sein kannst. Und der Beweis dafür ist: Wenn du nicht unter dem Gesetz, sondern unter der Gnade bist, kann die Sünde nicht über dich herrschen. Wir könnten es auch andersherum ausdrücken: Wenn du nicht unter der Gnade bist, sondern unter dem Gesetz, dann wird die Sünde über dich herrschen. Ob wir unter dem Gesetz sind oder unter der Gnade, erkennen wir also letztlich nicht, indem wir prüfen, ob wir uns an viele Regeln und Vorschriften halten, sondern durch eine viel tiefere Prüfung: Herrscht die Sünde über dich? Oder herrschst du über die Sünde?
Dies ist eine sehr, sehr wichtige Frage, denn sehr viele Menschen verstehen nicht den Unterschied zwischen dem, was Jesus gab und dem, was Mose unter dem Alten Bund gegeben hatte. Nun will ich dir eine einfache Frage stellen: Wer ist größer, Mose oder unser Herr Jesus Christus? Das ist ganz klar: Mose ist ein Diener und der Herr Jesus ist der Meister. Es ist so klar, dass Jesus viel größer ist als Mose.
Wenn dir das also klar ist, will ich dir sagen, dass der Bund oder das Abkommen, das Gott durch Mose mit Israel schloss, in dem gleichen Maße niedriger ist als der Neue Bund, den Gott durch Jesus herbeiführte, wie Mose niedriger ist als Jesus. Das heißt, wenn Mose und das Gesetz die Menschen des Alten Bundes zu einem gewissen Standard der Lebensführung bringen konnte, dann sollte Jesus und der Neue Bund sie wohin bringen können – zu einem höheren Standard oder zum gleichen Standard? Natürlich würdest du sagen, es muss schon ein erheblich höherer Standard sein. Es wäre etwa ein Unterschied wie zwischen Gehen und Fliegen, zwischen einem Fahrrad und einem Flugzeug. Ich meine, das ist ja ein ziemlich großer Unterschied zwischen einem Fahrrad und einem Flugzeug, was die Geschwindigkeit angeht und die Möglichkeit, sich von einem Ort zum anderen zu begeben. Und wenn du also ein Fahrrad mit einem Flugzeug vergleichst, dann erkennst du den Unterschied zwischen dem Alten und dem Neuen Bund. Der Alte Bund kann dich wie mit einem Fahrrad von einem Ort zum anderen bringen. Und der Neue Bund kann dich wie ein Flugzeug von einem Ort zu einem anderen bringen. Dazwischen liegen Welten. Der Alte Bund kann einen Menschen zu einem gewissen Grad der Gemeinschaft mit Gott bringen, aber nicht darüber hinaus.
Und in der Stiftshütte des Alten Testaments versinnbildlichte Gott dies, indem er einen dicken Vorhang zwischen das Heiligtum und das Allerheiligste setzte und den Israeliten sagte: „Niemand kann in das Allerheiligste kommen, dieser Vorhang hält euch ab. So weit dürft ihr kommen, aber weiter nicht.“ Und weißt du, hinter diesem Vorhang wohnte Gott selbst in diesem Tempel – dem Tempel des Alten Testaments. Und niemand konnte dorthin kommen. Selbst der Hohepriester konnte nur einmal im Jahr eintreten, und auch das war nur ein Zeichen. Aber niemand konnte einfach gehen, wann immer er wollte. Aber als Jesus auf Golgatha starb, zerriss dieser Vorhang von oben nach unten, und das war das Zeichen, dass der Weg in die Gegenwart Gottes jetzt frei war. Nun will ich euch fragen: Jetzt, da der Vorhang zerrissen ist und der Weg ins Allerheiligste, in die Gegenwart Gottes, frei ist, sollten unsere Standards jetzt höher oder niedriger sein als bei den Menschen des Alten Testaments? Die Antwort ist klar. Wenn Menschen ohne persönliche Gemeinschaft mit Gott, nur mit dem Gesetz, zu einem bestimmten Standard der Lebensführung kommen konnten, wie viel höher sollten dann unsere Standards sein, sobald wir in Gemeinschaft mit Gott selbst kommen, hinter dem zerrissenen Vorhang? Und doch haben anscheinend viele, viele Christen das nicht verstanden. Warum zum Beispiel hört man manchmal von Christen, die in schreckliche Sünde fallen? Könnt ihr euch vorstellen, dass Elias oder Johannes der Täufer hinter Frauen her waren oder hinter dem Geld? Und doch hatten sie die Gnade nicht; sie hatten nicht den freien Zugang zum Allerheiligsten, wie wir ihn haben; trotzdem konnten sie ein solches Leben führen. Wie viel mehr können wir erreichen, wenn wir nur Glauben haben und aufsteigen zu den Vorrechten, die wir unter dem Neuen Bund haben?
Das ist es, was Paulus hier sagt: Sünde wird nicht über euch herrschen können, denn ihr seid nicht unter dem Gesetz, sondern unter der Gnade. In Matthäus 11,11 sagt Jesus, dass unter allen Menschen, die bis dahin geboren waren, Johannes der Täufer der Größte sei (natürlich mit Ausnahme seiner selbst; er hatte keinen menschlichen Vater, also war Jesus selbst ausgenommen, aber unter allen anderen Menschen war Johannes der Täufer der Größte), und dann fuhr Jesus fort und sagte, dass aber der Kleinste im Himmelreich – in Gottes Reich – noch größer sei. Was er damit zu sagen versuchte, war, dass das Höchste, zu dem das Gesetz den Menschen bringen konnte, immer noch geringer war als das, wohin Gnade den Schwächsten unter Gottes Kinder bringen kann. Also werden es nicht nur wenige Gläubige sein, die einen höheren Standard der Lebensführung erreichen als Johannes der Täufer. Es ist Gottes Wille, dass jedes einzelne seiner Kinder, die unter die Gnade kommen, auf eine höhere Stufe gelangt als Johannes der Täufer. Aber ob sie tatsächlich ein solches Leben führen, ist eine ganz andere Sache. Doch die Möglichkeit ist vorhanden, wenn sie verstehen und die Gnade annehmen, die Gott uns durch unseren Herrn Jesus Christus anbietet.
Wir wollen nun zum Vergleich das Wort ‚Barmherzigkeit‘ betrachten, wie wir es zum Beispiel in Hebräer 4,16 lesen. Dort wird uns gesagt, dass wir mit Zuversicht zu dem Thron der Gnade kommen sollen, damit wir Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden zu der Zeit, wenn wir Hilfe nötig haben. Wie ich in einer früheren Auslegung erwähnt habe, gibt es einen Unterschied zwischen ‚Barmherzigkeit‘ und ‚Gnade‘. ‚Barmherzigkeit‘ ist vor allem ein Wort des Alten Testaments. Wir finden dieses Wort sehr häufig im Alten Testament – die Barmherzigkeit des Herrn währet ewiglich. David spricht oft davon, und durch diese Barmherzigkeit sind den Menschen des Alten Testaments die Sünden zugedeckt und vergeben. Sie konnten nicht rein werden. David konnte nur sagen: ‚Wohl dem, dem die Sünde bedeckt ist.‘ Niemand konnte von Sünden reingewaschen werden, bevor Jesus am Kreuz von Golgatha starb. Aber die Sünden konnten zugedeckt werden, bevor Christus kam. Sie waren vergeben. In dem bekannten Psalm 103 sagt David: ‚Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat; der dir alle deine Sünde vergibt.‘ Das war Barmherzigkeit, und wir alle brauchen sie auch. Wir brauchen Vergebung unserer Sünden. Aber wir haben noch mehr im Neuen Bund, und das ist Gnade. Gnade ist mehr als Barmherzigkeit; Gnade hilft uns in der Zukunft; Gnade hilft uns die Lüste in unserer Natur zu überwinden. Und es heißt hier, dass wir zum Thron der Gnade kommen können und dort empfangen wir Barmherzigkeit und finden Gnade zu der Zeit, wenn wir Hilfe nötig haben.
Was ist nun eine Zeit, in der wir Hilfe nötig haben? Das ist dann, wenn wir unter ungeheurem Druck stehen wegen der Lüste in unserem Fleisch, unter gewaltigem Druck des Teufels, damit wir sündigen. Und in diesem Moment, wenn wir versucht werden zu sündigen und zu fallen, dann kann Gnade mir helfen, so sagt Gott. Gnade ist Hilfe, Hilfe in meiner Not, worin auch immer sie besteht. Wenn es jetzt gerade meine Not ist, dass ich Hilfe brauche, um eine bestimmte Sünde zu überwinden, so heißt es: Gnade kann mir in der Zeit der Not helfen. Es ist so: Wenn ich auf einen Berg klettere und bin im Begriff auszurutschen und zu fallen und dann bitte ich um Hilfe, dann kann Gott mich halten und es machen, dass ich fest stehe, so dass ich nicht falle. Aber wenn ich nicht um Hilfe bitte und mich allein abmühe, dann rutsche ich aus und falle und breche mir die Knochen, und dann rufe ich zu Gott um Hilfe und ein Rettungswagen kommt und nimmt mich mit. Nun, das ist auch Hilfe. Aber das ist Barmherzigkeit. Das ist Gott, der mich aufhebt, wenn ich gefallen bin, der mir vergibt, mich ins Krankenhaus bringt, mich verbindet und mich wiederherstellt. Und das ist die Erfahrung sehr vieler Christen. Sie fallen, und dann bitten sie Gott um Hilfe. Aber gibt es nicht einen besseren Weg? Ja – Gnade in der Zeit, wenn wir Hilfe nötig haben.
Nun, warum machst du es nicht so, wenn du das nächste Mal den Druck der Versuchung so stark verspürst, dass du im Begriff bist zu fallen? Probiere es aus und sieh, ob es funktioniert: Bitte Gott in diesem Moment und sage: ‚Herr, ich bin nicht fähig, dies zu überwinden. Ich möchte, dass du mir hilfst. Gib mir Gnade, dies zu überwinden.‘ Und du wirst in diesem Moment merken, dass Gnade kommt und dich hindurchträgt.