Der Prophet und eine geistliche Bewegung Gottes–J.T.Samuel

Autor :   Joji Samuel Kategorien :   Die Gemeinde Jünger
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Wir leben in einer Zeit, in der Gläubige den Begriff ,,Prophezeiung" [Prophetie, Weissagung] missverstanden haben, indem sie meinen, es bedeutet ,,zukünftige Ereignisse vorhersagen", und dass ein ,,Prophet" jemand ist, der die Zukunft vorhersagt.


Die große Mehrheit der Gläubigen unserer Zeit kennt nur den Propheten Agabus, der zweimal zukünftige Ereignisse vorhersagte (Apg 11,28; 21,10; LUT 1984). Aber sie sind sich der Tatsache nicht bewusst, dass in der Apostelgeschichte auch Judas und Silas Propheten genannt werden: ,,Judas aber und Silas, die selbst Propheten waren, ermahnten die Brüder mit vielen Reden und stärkten sie" (Apg 15,32).


Wie viele Christen verstehen, dass diejenigen, die Gläubige ermahnen und stärken ebenfalls Propheten sind? Die Bibel sagt, dass echte neutestamentliche Prophetie den Hörern immer ,,Erbauung, Ermahnung und Tröstung" bringt (1Kor 14,3).


Bringen die ,,vorhersagenden Propheten" die wir heute hören, ihren Hörern Erbauung, Ermahnung und Tröstung? Gewöhnlich nicht.


Betrachte Johannes den Täufer, den größten Propheten des alten Bundes, der kam, um den Weg des Herrn zu bereiten (Lk 1,76). Er hat nicht die Zukunft vorhergesagt.


Was er brachte, war eine Botschaft für Gottes Volk zu seiner Zeit.


All die Propheten, die Gott in Israel erweckte, hatten Gottes gegenwärtige Botschaft für ihre Generation. Und sie verkündeten diese Botschaft kompromisslos und ohne Menschenfurcht. Wie weit entfernt waren solche mächtigen Propheten Gottes von den selbst ernannten heutigen ,,Propheten", deren einzige Interessen darin zu liegen scheinen, Menschen zu beeindrucken und ihre Gage einzusammeln, nachdem sie ihre ,,prophetischen Vorhersagen" von sich gegeben haben! Jemand, der biblische Prophezeiungen über die Zukunft auslegt, ist ein Lehrer, kein Prophet. Und jemand, der vergangene Ereignisse aus der Heiligen Schrift auf eine mechanische Art und Weise erläutert, ist ein Schriftgelehrter. Ein wahrer Prophet betont jedoch die Gegenwart. Er ruft Gottes Volk auf, Buße zu tun und jetzt auf Gottes Wege zurückzukehren.


Was heute wirklich nottut ist, dass Gläubige Gottes Wort und Seinen Zweck für unsere Zeit verstehen. In dem sie das vernachlässigen, gehen viele Prediger darin auf, Themen wie Gog und Magog bei der endgültigen Schlacht von Harmagedon zu erklären! Am anderen Extrem befinden sich Prediger, die über die Bedeutung der Riegel und Säulen in der alttestamentlichen Stiftshütte spitzfindig argumentieren.


Beide dieser Prediger sind unfähig, zu sehen, was Gott in unserer Zeit tut und damit versäumen sie es, ein Teil Seines Werkes in unserer Zeit zu werden.


Jesus hielt die Menschen seiner Zeit dazu an, ,,die gegenwärtige Zeit zu beurteilen" (Lk 12,56; NGÜ). Der wahre Prophet fordert Gläubige auch auf, Gottes Gedanken für diese gegenwärtige Zeit zu verstehen.


Ein solcher Prophet, der von Gott zu einer bestimmten Zeit in der Geschichte beauftragt wurde, wird gewisse Eigenschaften haben. Er wird dem Volk zu dieser Zeit die besondere Bürde, die Gott auf dem Herzen hat, verkünden. Das wird seine einzige Botschaft sein - und daher wird sein Dienst nicht ausgewogen sein. Auch seine Worte werden scharf und einschneidend sein. Und er wird niemals Kompromisse eingehen.


Betrachte Johannes den Täufer als ein Beispiel eines solchen wahren Propheten. Er hatte für Gottes Volk seiner Zeit nur eine Botschaft (,,Tut Buße!"). Er war in seinem Dienst unausgewogen. Seine Worte waren sehr scharf (,,Ihr Schlangenbrut ..."). Und er war kompromisslos. (Seine Kleidung, der Ort seines Wirkens und sogar seine Speise waren alle ein Beweis dafür).


Wo ist der Prophet, der die Bürde des Herrn, die für unsere Zeit relevant ist, kraftvoll und kompromisslos verkünden wird? Wo ist der Prophet, der fortfährt, diese Botschaft zu verkünden, ohne sie auf irgendeine Weise zu verwässern, um sie den sich ändernden Meinungen von Menschen anzupassen? Wo ist der Prophet, der keine Angst davor hat, in seinem Predigtdienst als ,,unausgewogen" bezeichnet zu werden? Wo ist der Prophet, der nicht zögern wird, scharfe Worte zu benutzen, um Gottes Botschaft ohne Ansehen der Person zu verkünden? Ein solcher Prophet ist die Not der Stunde.


Während viele Juden zur Zeit Jesu ihre Zeit damit verbrachten, den ,,ausgewogenen" Lehren der Pharisäer in den Synagogen zuzuhören, ging eine geistlich gesinnte Minderheit ,,aus dem Lager hinaus", um die unausgewogene Botschaft von Johannes in der Wüste zu hören. Auch heute geschieht etwas Ähnliches.


Jeder Prophet, der die Bürde des Herrn für seine spezifische Zeit verkündete, musste viel Opposition von den religiösen Führern in seiner Umgebung ertragen.


Aber es gab stets eine kleine Minderheit, die ihre blinden religiösen Führer ignorierten und auf die Bürde des Herrn, die der Prophet verkündete, hörten. Diese wenigen wurden Teil einer geistlichen Bewegung ihrer Zeit, angeführt von Gottes Propheten. Jeder, der den Sinn Christi verstand, wurde ein Teil einer solchen Bewegung des Heiligen Geistes zu seiner Zeit ­ und er trat zusammen mit Seinem Diener, dem Propheten, für Gott ein.


Ein Christ mit Urteilsvermögen, der zur Zeit Martin Luthers gelebt hat, würde sich hinter Luther stellen. Aber ein Christ mit Urteilsvermögen, der zur Zeit John Wesleys gelebt hat, würde sich hinter Wesley stellen. Watchman Nee wies darauf hin, dass ein Wahrheitssuchender, der zur Zeit Wesleys gelebt hat, die Bewegung des Heiligen Geistes verpasst hätte, wenn er Wesley ignoriert und sich mit Luther (der Gottes Mann für die vorhergehende Generation war) identifiziert hätte. Ein solcher Christ würde in der Vergangenheit leben.


Jede geistliche Bewegung hat eine Tendenz, nach einer gewissen Zeit als weltliche Organisation zu enden. Wie können wir sicherstellen, dass eine geistliche Bewegung, die von einem Propheten initiiert wurde, schließlich nicht als eine tote Organisation endet? Wenn Kompromisse die ursprüngliche Vision verderben, nimmt eine geistliche Bewegung ab und degeneriert zu einer Organisation. Der Prophet, der sich seiner Berufung bewusst ist, wird vor einer solchen Gefahr ständig auf der Hut sein. Um die Bewegung Gottes in ihrer Reinheit zu bewahren, wird er sich stark gegen jene stellen, die die ursprünglichen Vision Gottes für die Bewegung nicht mehr mittragen. Jeder Prophet, der zu einer solchen Zeit Kompromisse eingeht, indem er Menschen zu gefallen sucht, wird das Werk, das Gott durch ihn tun möchte, zerstören.


Betrachte den Apostel Paulus und sein Werk. Demas war zu einer Zeit ein Mitarbeiter von Paulus (Kol 4,14). Aber er machte Kompromisse und verließ Paulus (2Tim 4,10). Viele von Paulus` anderen Mitarbeitern verließen ihn ebenfalls. Warum machte Paulus keine Kompromisse und warum versuchte er nicht, diesen seinen Mitarbeitern zu gefallen, damit er sie behalten könnte? Wenn er das getan hätte, wäre dies das Ende von Gottes Werk durch ihn gewesen.


Paulus` Strenge gegenüber seinen Mitarbeitern hatte sich sicherlich auf seine Popularität bei ihnen und bei ihren Nachfolgern ausgewirkt. Aber er war davon nicht beunruhigt, denn er war ,,kein Sklave seines Images". Er sorgte sich überhaupt nicht darum, was Menschen sagten oder über ihn dachten (Gal 1,10).


Komme, was wolle, er stand kompromisslos zur Wahrheit Gottes, die der innewohnende Heilige Geist ihm eingab.


Dies führte zu mehr als einer ,,Spaltung" im Dienst des Paulus. Gegen Ende seines Lebens sagte er: ,,Alle, die in der Provinz Asien sind, haben sich von mir abgewandt" (2Tim 1,15). Er fand unter all seinen Mitarbeitern nur eine gleichgesinnte Person ­ Timotheus (Phil 2,20). Das waren einige der Rückschläge, die Paulus erlebte, als er versuchte, seinen Dienst davor zu bewahren, als eine tote Organisation zu enden.


Die ,,Reinigung", die in verschiedenen Phasen eines Dienstes, den Gott durch einen Propheten initiiert hat, stattfindet, ist der Beweis, dass das Werk keinen Niedergang erlebte hatte und zu einem toten System geworden war. Urteilsfähige Gläubige mögen solche Reinigungen missverstehen. Aber der Prophet wird weiterhin kompromisslos dafür einstehen, die Wahrheit Gottes in all ihrer Reinheit, ohne die geringste Verwässerung, zu bewahren.


Prediger, die ,,Administratoren" und ,,Diplomaten" sind, mögen bereit sein, Kompromisse einzugehen, um alle mitzunehmen. Solche Menschen leben vor dem Angesicht von Menschen. Aber ein Prophet, der von Gott beauftragt wurde, ist kein Diplomat oder Politiker. Er lebt vor Gottes Angesicht allein. Seine Worte sind dieselben wie die Worte Seines Herrn: ,,Mein Reich ist nicht von dieser Welt." Er hat kein eigenes Reich (oder keinen eigenen Dienst) zu erhalten. Und somit werden die Worte Jesu auch in seinem Leben erfüllt: ,,Ein Prophet gilt nirgends weniger als in seinem Vaterland und bei seinen Verwandten und in seinem Hause." Wenn wir Urteilsvermögen haben, um die Wege des Herrn zu verstehen, werden wir die Propheten Gottes in unserer Zeit erkennen. Und wir werden uns ihnen anschließen, um ein Teil von Gottes Bewegung in unserer Zeit zu sein. Und wie sie werden wir niemals Kompromisse eingehen, koste was es wolle.


Wer Ohren hat zu hören, der höre.


Originalartikel: The Prophet and a Spiritual Movement of God